Was bedeutet der Klimawandel für unsere Städte?

geschrieben am 23.01.2020 von Nils Hacke

Der Klimawandel stellt den Städtebau vor eine große Herausforderung. „Wir werden in Zukunft im Sommer in dicht bebauten Metropolen wohl im Schnitt mit fünf bis zehn Grad höheren Temperaturen leben müssen“, prognostizieren Experten. Dieser Meinung ist auch der weltweit renommierte Klimaingenieur Matthias Schuler. Eine Zusammenfassung von RE/MAX Germany.

Hitzewellen und Starkregen


Die Zahl der tropischen Nächte mit über 20 Grad Celsius wird in der Zukunft deutlich zunehmen. Darunter leiden dann besonders betagte und geschwächte Menschen. So gab es im Rekordsommer 2018 offiziellen Angaben zufolge über 1.000 Hitzetote in Deutschland.

Mitteleuropäische Städte bekommen ein mitmediterranes Klima – nur leider ohne die kühlende Meeresbrise. „Wir nutzen jetzt für europäische Städte Konzepte, die wir mal für arabische Wüstenstaaten konzipiert haben“, erklärt Matthias Schuler. So sei für Paris 2030 eine Verschattung der großen Avenues geplant. Diese kann bei Nacht entfernt werden, damit die angestaute Wärme in den kühlen Nachthimmel entweichen kann.

Forschern zufolge könnte es bereits im Jahr 2050 in der deutschen Hauptstadt Berlin so heiß sein wie derzeit in der australischen Stadt Canberra. Schuld daran ist der Wärmeinseleffekt. Fassaden, Dächer und versiegelte Flächen wie Straßen, Gehwege oder Parkplätze heizen sich durch die Sonneneinstrahlung auf und speichern die Wärme. Gebäuderiegel verhindern eine Durchlüftung und (nächtliche) Abkühlung.
 

Klimawandel – Nachverdichtung und Begrünung der Städte


Das Gegenmittel gegen Hitzestress und Überschwemmungen durch Starkregen ist die Rückholung dessen, was wir zunehmend aus den Städten verbannt haben: die Natur. Doch Grünflächen erfordern Platz. Angesichts des anhaltenden Zuzugs in die Metropolen stehen die Großstädte unter Druck. Denn internationalen Studien zufolge werden dort bis 2030 etwa 30 Prozent der Weltbevölkerung leben. Aus diesem Grund müssen die Städte Wohnraum schaffen.

„Nachverdichtung“ lautet das Zauberwort: Statt neue Siedlungsflächen auszuweisen, werden innerstädtische Gebäude aufgestockt und erweitert. Auch Brachflächen und sogar Innenhöfe werden bebaut. Doch wie viel Dichte an Immobilienverträgt das Klima?

„Verdichtung und mehr Grün schließen sich gar nicht unbedingt aus“, erklärt der Berliner Architekt Friedrich von Borries. Er entwickelt Begrünungskonzepte für Großstädte wie Frankfurt. Es gelte vorhandene Potenziale wie beispielsweise Fried- oder Schulhöfe und Sportflächen verstärkt als grüne Oasen zu nutzen. Weitere städtebauliche Maßnahmen gegen die Hitze: viele schattenspendende Bäume und helle Fassaden. Ebenso kann Verdunstungskälte durch Wasserflächen sowie Belüftungskorridore und künstliche Kaltluftschneisen entstehen.
 

Die Stadt wächst in die Höhe


Anstatt in die Breite zu bauen, sollte zusätzlicher Wohnraum in der Höhe entstehen. Das ergab ein Forschungsprojekt der Stadt Karlsruhe. Folglich wurden vorhandene Gebäude aufgestockt und eingeschossige Nebenbauten abgerissen. Auf diese Weise wurde entsiegelte Freifläche geschaffen. Wo mehr Regenwasser versickern kann, werden die Kanäle entlastet. Dadurch ist die Innenstadt vor Hochwasser geschützt.

Auch das Grün wächst zunehmend in die Höhe. Für ein gutes Mikroklima setzen Architekten und Stadtplaner auf die Begrünung von Dächern und Fassaden. Denn die Pflanzen binden CO2 und Feinstaub. Sie kühlen die Luft und erhöhen die Luftfeuchtigkeit. Ein berühmtes Beispiel für vertikale, also am Gebäude hochwachsende Begrünung ist der Bosco Verticale in Mailand. Der aus 20.000 Pflanzen bestehende vertikale Wald von Stefano Boeri erhielt 2014 den Internationalen Hochhauspreis.

Gründachstrategien und neue Fassadensysteme bei Immobilien


Immer mehr deutsche und europäische Städte berücksichtigen den fortschreitenden Klimawandel in ihrer Planung. So entwickelte Hamburg eine Gründachstrategie. Die Hauptstadt Berlin gibt 2,7 Millionen für die Begrünung ihrer Dächer aus. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt „HeatResilientCity“. Dieses soll zeigen, wie sich Wohngebäude und Freiflächen so gestalten lassen, dass das Leben in der Stadt auch bei längeren Hitzeperioden angenehm bleibt.

In Aachen forschen Architekten, Textil-, Umwelt-, Elektro- und Maschinenbauingenieure fakultätsübergreifend an neuen Fassadensystemen. So sollen textile Gebäudehüllen, den Kühlenergiebedarf deutlich reduzieren. Eine Anti-Smog-Fassade ist mit einer fotokatalytischen Beschichtung versehen. Sie filtert Schadstoffe wie Stickoxide und Feinstaubpartikel aus der Luft.

„Bis 2050 müssen wir CO2-frei sein“


„Wir müssen bis Mitte des Jahrhunderts CO2-frei sein. Das ist für unsere Welt alternativlos“, mahnt Matthias Kopp vom WWF Deutschland. Und dabei spielt der Städtebau eine gewaltige Rolle. Rund ein Drittel der CO2-Emissionen und knapp 35 Prozent des Energiebedarfes in Deutschland gehen auf den Gebäudesektor zurück. Neben Neubau und Verdichtung geht es also auch um die Sanierung von Bestandsimmobilien älteren Baujahres. Diese belaufen sich in Deutschland derzeit auf weniger als ein Prozent.

Dem UN-Klimareport zufolge liegt in der konsequenten Wärmedämmung an Fassaden eine Chance, den globalen Klimawandel zu begrenzen. Denn nach wie vor frisst die Gebäudeheizung und -klimatisierung neben dem Verkehrssektor die größten Energiemengen.

Klimaschutz ist also auch eine Aufgabe des einzelnen Bauherrn und Hauseigentümers. Wer seine Gebäudehülle optimal dämmt, leistet dazu nicht nur einen wichtigen Beitrag, sondern reduziert gleichzeitig seine laufenden Betriebskosten.

Quellen: bbsr.bund.de (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung), haus.de, buga2019.de, haufe.de, faz.net, zeit.de, welt.de, sto.de, globalmagazin.com, swr.de, lokale-mm.de, tagesspiegel.de, Fassadengrün.de, deutschlandfunk.de, co2online.de

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